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Wie werden wir zu wahren Verwandten Jesu?

Die wahren Verwandten Jesu sind wir, wenn wir den Willen des Vaters tun. Dann sind wir noch mehr verwandt mit ihm als jene, die leiblich mit ihm verwandt waren.

Wir neigen dazu, das als symbolisch anzusehen.

Kann ein Mensch, ein Fremder, noch Verwandter sein, noch mehr als jemand, der uns blutsverwandt ist? Eine törichte Aussage.

Und doch wird durch das Wort Jesu offenbar, dass es eine andere Verwandtschaft gibt, die geistliche Verwandtschaft, die womöglich noch tiefer ist als die leibliche Verwandtschaft.

Die sich auf den lebendigen Gott einlassen, werden tief miteinander verbunden. Sie werden eine neue Familie.

Sie gehören durch Jesus Christus zueinander, der sie miteinander verbindet. Was da geschieht, klingt auch in den anderen Worten Jesu nach, wenn er davon spricht, dass wir neu geboren werden.

Es ist eine neue Geburt, ein neues Leben, das in uns frei wird. Und durch diese neue Geburt werden wir in eine neue Familie hineingenommen. Das, was Jesus da verheißt, ist ein Widerschein des historischen Geschehens mit dem Volk Gottes.

Das erste Volk Gottes, die Juden, waren Volk Gottes durch das Blut, die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs. Sie sind durch Gott, durch Zeugung des Fleisches, ein Volk geworden, Brüder und Schwestern geworden, Angehörige einer großen Familie.

Das neue Volk Gottes hat eine neue Familie.

Nicht mehr durch das Fleisch, durch die leibliche Geburt, sondern durch den Geist, durch den heiligen Geist, durch die Liebe Jesu Christi, durch sein Blut, das er für uns vergossen hat. Durch ihn werden wir in dieses neue Volk, in diese neue Familie hineingenommen.

Wir sind hineingenommen worden, durch die Taufe, in dieses Volk und doch sagt uns auch Jesus, dass wir an ihn glauben müssen, damit das vollzogen wird. Und dass es darum geht, dass wir den Weg gehen, den Gott uns zeigt.

„Wer den Willen meines Vaters tut, der ist mir Mutter und Bruder“.

So wie wir sakramental, durch das Sakrament der Taufe, in den Leib Christi hineingenommen werden, so ist es wichtig, dass wir diese Hineinnahme vollziehen, durch die Nachfolge Jesu, für ein Leben, das, wie das Seine, den Willen des Vaters sucht.

Durch die Gnade, durch Jesus Christus sind wir Kinder Gottes geworden. Durch die Annahme dieser Gnade, durch unser Ja zu Jesus, zu seinem Weg der Erlösung, zu seinem Heilsweg, durch dieses Ja werden wir die Mitglieder der neuen Familie, von der Jesus im Text von Matthäus, im zwölften Kapitel spricht.

Wir werden real die Geschwister Jesu.

Es ist nicht nur symbolisch, es ist ganz real. Wir gehören zu dieser neuen Familie, wenn wir uns von Jesus hineinnehmen lassen und den Weg gehen, den er gegangen ist und zu dem er uns einlädt.

„Wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder, Schwester und Mutter.“

Ich sage es nochmals, liebe Schwestern und Brüder, dieses Wort Jesu von seinen wahren Verwandten, es ist wahr, es ist nicht nur symbolisch.

Ich hab das selbst erfahren dürfen, vor allem in meiner Randgruppenarbeit, im Gefängnis, in der Szene.

Immer wieder sind mir Menschen begegnet, die mir durch Jesus Geschwister geworden sind oder Söhne und Töchter, ganz real.

Es ist eine tiefe Liebe in mir zu ihnen frei geworden und auch ein tiefes Vertrauen von ihnen zu mir. Es ist einfach geschehen, es sind Beziehungen entstanden, manchmal von jetzt auf gleich, von einem Moment auf den anderen. Ohne großes Kennenlernen fühlten wir uns tief verbunden. Es war Liebe da, Zuneigung, ein tiefes sich-ineinander-hineinversetzten. Ein wunderbares Geschehen, Geheimnis.

Des öfteren kam es mir – wie dem anderen – vor, als würden wir uns schon immer kennen, obwohl wir uns zum ersten Mal gesehen hatten. Eine tiefe Erfahrung.

Wodurch wird diese Erfahrung möglich? Sie wird möglich denen, die den Willen Gottes suchen.

Sie wird möglich Menschen, die verzweifelt und gescheitert sind und die in ihrer tiefen Not nach Gott schreien, sie wird möglich, Menschen, die Gott nicht kennen und die eine tiefe Sehnsucht in ihren Herzen haben, umzukehren und ein neues Leben zu beginnen und sie wird möglich für Menschen, die bereit sind, sich liebend einzulassen auf andere, die bereit sind, Gott zu dienen, weil er sie braucht.

Wir sind eingeladen, diesen Weg zur neuen Familie der Kinder Gottes zu beschreiten, indem wir uns Jesus schenken, uns schenken, für den Plan seines Heils, bereit sind, dem lebendigen Gott zu dienen, wo immer er uns braucht, verfügbar zu sein für jene, in denen der Herr auf uns wartet.

Er, der gesagt hat: „Ich war gefangen und ihr habt mich besucht, ich war nackt und ihr habt mich bekleidet, ich war obdachlos und ihr habt mich aufgenommen, ich war krank und ihr habt mich besucht.“

Jesus wartet in den Armen, in den Notleidenden auf uns. Er wartet in jenen auf uns, die uns brauchen, die unsere Liebe brauchen. Und er selbst will uns in ihnen begegnen.

Wenn wir uns schenken für jene, für die der lebendige Gott uns braucht, dann werden wir auch unsere wahren Verwandten kennen lernen, die Verwandten Jesu.

Wir alle haben von Gott eine leibliche Familie geschenkt bekommen. Ich vermute, dass Gott auch uns allen, eine geistliche Familie schenken will.

Nur so ist dieses Wort zu verstehen. Dass alle, die den Willen seines Vaters tun, ihm, Jesus selber, Geschwister werden, zu seiner Familie gehören. Es entsteht eine neue Familie. Durch die heilige Schrift wird sie uns dokumentiert.

Die Jünger Jesu hatten eine neue Familie, all jene, die Heim und Hof verlassen hatten, um ihm nachzufolgen. Das ist die zweite Familie, die Familie der Kinder Gottes.

Gott selbst braucht uns für diese Familie. Er braucht uns für die Notleidenden.

Ganz besonders für jene, die keine Familie haben oder deren leibliche Familie zerrüttet worden ist oder kaputt gegangen ist.

Er braucht ganz besonders Menschen für jene, die heimatlos sind, die keine Familie mehr haben, die ungeborgen sind und an dieser Ungeborgenheit zerbrechen. Die Einsamen, die Isolierten, die Abgeschobenen, die Verzweifelten, die am Rande unserer Gesellschaft leben.

Jesus will, dass diese Menschen von uns wieder frei geliebt werden, dass wir in seinem Namen sie aufnehmen, ihnen wieder Heimat geben, dass sie durch uns, ihn kennenlernen dürfen, durch unsere Liebe, die ein Widerschein seiner Liebe sein soll.

Wir können nicht nur leibliche Kinder bekommen, sondern auch geistliche Kinder.

Wir können uns Gott schenken dafür, dass Menschen Heimat bei uns finden, die ungeborgen sind.

Wir können bereit sein, für die neue Familie, zu der Jesus Christus selber gehört und alle, die er zu uns führt, für die er uns braucht. Die zweite Familie, Familie Jesu!

Sie brauchen keine Sorge haben, liebe Schwestern und Brüder, vor dem, was da verlangt wird.

Natürlich kostet jede Familie ihren Preis, den Preis der Hingabe, aber Familie ist Befreiung.

Der Mensch der sich schenkt, ist der Beschenkte.

Der Mensch, der nur für sich lebt, ist der Einsame.

Wir können anderen Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn oder Tochter sein.

Die Aufgabe, die eine Familie hat, muss nicht zu Ende sein, wenn die Kinder erwachsen und aus dem Haus sind.

Gott will uns neue Kinder schenken oder Eltern oder Geschwister. Es gibt jetzt andere, für die er unsere Liebe braucht.

Einsam der Mensch, der sich nicht mehr gebraucht fühlt. Aber er ist nur dann einsam, wenn er sich nicht mehr gebrauchen lässt, wenn er sich nicht mehr schenkt, nicht mehr hingibt.

Es sind viele, für die Gott uns braucht.

Ich glaube es gibt keinen, der nicht mehr gebraucht wird. Nicht einmal der, der im Rollstuhl sitzt und sich nicht mehr bewegen kann. Auch er kann Liebe schenken, kann beten für andere, kann sich hingeben, vielleicht sogar denen gegenüber, die ihm dienen. Auch er kann einen Raum der Liebe schaffen.

Wir können um uns kreisen, im Selbstmitleid verfallen, unser Schicksal beklagen oder über uns hinaus wachsen und uns anderen zuwenden, die vielleicht ein noch größeres Schicksal haben als wir.

Ich weiß, das Wort ist real: „Ich war gefangen und ihr seid zu mir gekommen, ich war nackt und ihr habt mich bekleidet, ich war obdachlos und ihr seid zu mir gekommen“, aber real ist auch das andere Wort: „Ich war gefangen und ihr habt mich nicht besucht, ich war nackt und ihr habt mich nicht bekleidet, ich war obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen.“

Vielleicht werden auch wir mal gefragt:

„Herr, wo haben wir dich nackt, obdachlos, gefangen gesehen und aufgenommen oder nicht aufgenommen, besucht oder nicht besucht, bekleidet oder nicht bekleidet?“

Vielleicht wird auch uns gesagt werden:

„Was ihr den Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan, was ihr dem Geringsten meiner Brüder nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan.“

Wir versäumen nicht gute Taten, wenn wir uns den Menschen, die uns brauchen, nicht zuwenden.

Wir versäumen Familie Jesu, mit der er uns beschenken will. Wir versäumen es, ihn selbst in den Armen, in den Gebrochenen, in den Verzweifelten zu begegnen.

In allen Menschen, mit denen er uns zusammenführen will, damit diese neue Familie entsteht.

Br. Jan Hermanns

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