Seht, wie sie einander lieben
Seht, wie sie einander lieben, wird über die ersten Christen ausgesagt.
Seht, wie sie wie Kühlschränke nebeneinander stehen, so sagen manche über uns heute aus.
Das Zeugnis der Christen heute ist oft mehr ein Ärgernis als eine Hilfe zu Gott. So wie die Christen heute leben, werden sie häufig ein Hindernis für Jesus.
An diesem Leben kann Jesus nicht erkannt werden.
Ich höre immer wieder die Klage von Menschen vom Rande, von jungen Menschen, dass sie von uns Christen nichts erfahren von Christus. Sie drücken es nicht so aus, sie klagen über die Kirche, über den Tod der Kirche, über die Verbürgerlichung, über die Starre.
Und ich darf euch sagen, sie meinen beileibe nicht nur die sogenannte Amtskirche, auf die unsere Knüppel niederfallen, die so unser Sündenbock geworden ist.
Liebe Schwestern und Brüder, sie meinen zuerst uns, denn wir, die wir an Jesus Christus glauben, wir, die wir in den Gottesdienst gehen, wir sind die erfahrbare Kirche für die Menschen in unserer Umgebung. Wir sind die Wirklichkeit, die aussagt über die Kirche.
Wer euch kennt, kennt mich. Wer mich kennt, kennt den, der mich gesandt hat, so hat Jesus ausgesagt. Wer euch kennt, der kennt mich.
Wir werden vielleicht peinlich berührt von diesem Wort. Wer mich kennt, kennt er tatsächlich den, der mich gesandt hat, Jesus Christus, unsern Herrn oder ist es nicht vielmehr umgekehrt: Wer uns kennenlernt, der kommt gar nicht drauf, wie Jesus Christus ist, unser Herr.
Er kommt nur dann drauf, wenn wir diese Liebe, die Jesus uns geschenkt hat, ausstrahlen und andere in diese Liebe hineinnehmen.
Seht, wie sie einander lieben, das hat die Tür für die Menschen aufgemacht für das Geheimnis.
Sie haben gemerkt: Diese Jünger Jesus, diese Christen, wie sie dann genannt wurden, die sind anders als die Kinder der Welt, als die anderen Menschen.
Sie lieben, dadurch sind die Menschen aufmerksam gemacht worden auf die Botschaft, das da, was dahinter ist. Dadurch hatten sie die Spur Jesu Christi entdeckt, unseres Heilands.
Seht, wie sie einander lieben. Die sind anders, von denen geht etwas aus. Von der Botschaft, die sie verkündigen, dass dieser Jesus, den sie gekreuzigt haben, auferstanden ist.
An dieser Botschaft kann vielleicht doch was dran sein, weil die Menschen so verändert sind, weil sie lieben können, so wie andere nicht lieben können.
Und wir selbst sind gerufen, solche Liebenden zu sein, durch die die Menschen Jesus nahe kommen. Wir selbst sind eingeladen, andere in diese Liebe Jesu hineinzunehmen.
Vielleicht müssen zuerst wir umkehren, damit die Menschen die fern von Gott sind, ihn erkennen können, unseren Erlöser.
Wenn wir nicht so leben, wie die ersten Christen, wenn wir nicht an der Liebe Jesu erkannt werden, dann werden wir zum Ärgernis, dann sind wir Hindernisse für Jesus. Hindernisse, dass der Herr kommen darf und Wohnung nehmen darf in den Herzen der Menschen.
Jeder Christ ist Botschaft, jeder Christ ist Zeugnis, Zeugnis für Jesus Christus und vielleicht auch Zeugnis gegen Jesus Christus. Wenn durch mein Leben die Liebe Jesu nicht scheint, dann werde ich Ärgernis, dann verstelle ich den Menschen den Blick zu Jesus.
Wenn ich lau bin, dann verberge ich den Herrn, dann versperre ich den Blick auf Jesus Christus, weil die Menschen meinen, Lauheit, das sei Christentum, Bürgerlichkeit und Enge, das sei christlich.
Liebe Schwestern und Brüder,
lasst uns umkehren, zum Weg der Liebe, damit Jesus, unser Herr, erkannt werden kann!
Warum lieben sie einander, diese ersten Christen?
Sie lieben einander, weil sie sich von Jesus Christus geliebt wissen und weil es ihr Verlangen geworden ist, andere Menschen in diese Liebe hineinzunehmen.
Diese Liebe, die wir von Jesus empfangen, verlangt danach, sich zu verströmen. Wir können nicht schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben.
Wer Jesus wirklich kennengelernt hat, wer ihn liebt, der kann nicht einfach gleichgültig zuschauen, wie Menschen in der Fremde des Lebens in dieser Welt bleiben, in dieser Trostlosigkeit, in dieser ganz großen inneren seelischen Not, die auch unsere Zeit prägt.
Seht, wie sie einander lieben, das ist die Antwort des Menschen auf die Liebe Gottes.
Wir wollen diese Liebe verströmen und wir können sie zuallererst bei denen verströmen, die ähnlich offen sind wie wir für unsern lebendigen Gott und die sich auch ihm geschenkt haben. Es kann die neue Geburt dort stattfinden, zuallererst, wo Menschen glauben, wahrhaft glauben und lieben, wahrhaft lieben. Nicht dort, wo Menschen theoretisch glauben, über den Glauben diskutieren, aber sich nicht auf Jesus und aufeinander einlassen.
Jene Gemeinschaft, über die gesagt wird: Seht, wie sie einander lieben, ist die Gemeinschaft, wie sie zwischen denen entsteht, die sich auf Jesus eingelassen haben und die sich auch aufeinander einlassen. Die das, was Jesus ihnen geschenkt hat, umzusetzen versuchen und die Kämpfer werden für Gottes Reich, für das unendliche Reich seiner Liebe.
Seht, wie sie einander lieben, das entsteht nicht allein dadurch, dass wir den Glauben annehmen, sondern es entsteht dadurch, dass wir unser Leben ändern, dass wir echt werden, dass wir Liebende werden.
Wer sich von Jesus geliebt weiß, der braucht keine Masken mehr. Er kann sich zeigen wie er ist, auch in Not, in Bedrängnis. Er kann lachen mit den Lachenden und weinen mit den Weinenden. Er kann echter Mensch werden, echter Mensch und echter Christ und er kann in dieser Echtheit auch den anderen begegnen, die sich – ähnlich wie er – auf diesen neuen Weg eingelassen haben. Das ist das Geheimnis des Glaubens, das ist das Geheimnis auch der urchristlichen Gemeinde.
Sie haben tatsächlich die Welt verlassen, um Gottes Reich zu bilden.
Verlasst die Welt, sagt Jesus und folgt mir nach! Geht mit mir den anderen Weg, den neuen Weg.
Br. Jan Hermanns