Heilung durch Versöhnung
Evangelium der Liebe- Br. Jan
Ein ganz wichtiges Thema, liebe Schwestern und Brüder. Wir ahnen wohl nicht, wie viel Unheil im Leben von Menschen, vielleicht in unserem eigenen Leben, durch Unversöhntheit kommt.
Ganze Familien werden zerstört, weil Menschen, die Konflikte miteinander hatten, einander nicht verzeihen und sich nicht versöhnen konnten.
Unversöhntheit ist die Ursache von fast allem Unheil. Unversöhntheit zwischen Gott und den Menschen hat uns letztlich vom ewigen Gott getrennt, von dem wir uns abgesondert haben. Wie uns die Paradiesgeschichte mit der Sache mit dem Apfel zeigt, aufgrund der Versuchung, einen eigenen Weg ohne Gott zu gehen.
Absonderung und Groll, nicht verzeihen können. Das ist die Quelle des wohl am meisten Unheils auf dieser Erde.
Es ist die Ursache von Kriegen, aber auch von Kriegen in Familien, von Kriegen in unserem Leben, die Ursache von vielen Krisen, von Spannungen. Die Ursache, selbst von Krankheiten, die unser Leben zerstören.
Ich kann nur ahnen, wie viele Krebserkrankungen, wie viele Magenerkrankungen, Kopfschmerzen, Herzinfarkte, alle möglichen Krankheiten eine Ursache in der
Unversöhntheit von Menschen haben.
Der Mensch, der nicht verzeiht, verbittert. Der verbitterte Mensch aber sammelt Gift in seinem Innern an. Dieses Gift ist zerstörerisch. Es zerstört die Seele und greift auch auf den Leib über, der dieses Gift auf Dauer nicht verträgt. Unser Leben ist vergiftet, wenn Groll in uns ist, wenn wir Menschen hassen, wenn wir ihnen nicht vergeben können, wenn wir uns verschließen, weil wir nicht wieder solche Erfahrungen machen wollen, Erfahrungen wo wir verletzt und enttäuscht wurden. Wir kommen in ein Gefängnis. Es ist oft das Gefängnis der Angst, das Gefängnis der Unversöhntheit, das uns die Kraft zum Leben raubt.
Liebe Schwestern und Brüder, so wie Unversöhntheit unser Leben zerstört und Ursache selbst von Erkrankungen ist, so ist Versöhnung der Weg zur Heilung, zu dem wir von Gott persönlich eingeladen sind.
Anderen Menschen vergeben, das ist leicht gesagt. Es kommt uns vielleicht leicht über die Lippen, so was zu sagen, aber wie schwer ist es wenn es wirklich konkret wird. Wie sehr sind wir dann gequält, wie sehr sind wir gefangen von den Verletzungen, die andere Menschen uns zugefügt haben. Wie sehr grollen wir. Wir sind im Geist der Anklage und des Richtens. Anklage und Richten aber nehmen uns selber gefangen. „Der Ankläger eurer Brüder, bei Tag und bei Nacht, verklagt bei Gott euren Herrn.“ So hat Jesus den Satan selber genannt. Und von ihm kommt auch das Wort, richtet nicht, auf das ihr nicht gerichtet werdet. Da werden Fesseln deutlich. Da wird erkennbar wie sehr unsere eigenen Unversöhntheit uns selber einschließt. Wir, die wir andere richten, werden gerichtet werden. Wir, die wir andere von ihren Sünden nicht lossprechen, werden selber festgehalten, von unserer eigenen schuld, von der Schuld der Unversöhntheit. Der Bannstrahl, den wir gewissermaßen auf andere Menschen werfen, holt uns selber ein, er kommt wie ein Bumerang auf uns zurück. Das Urteil, dass wir über den anderen fällen, ist das Urteil, das über uns selber gefällt wird.
Wir merken es nicht, aber wir verurteilen uns selbst und wir erkennen nicht, dass unsere eigene Sünde, der Sünde des anderen nicht nachsteht. Das ist der Fall, selbst dann, wenn der andere eindeutig an dem Konflikt schuldig ist, wenn er tatsächlich wie wir unterstellen, der Tätige der Schuldige ist. Auch dann sind wir genauso schuldig, wenn wir ihm nicht vergeben. Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, beten wir, im Vater- Unser. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und Jesus hat an anderer Stelle gesagt, wer seinem Bruder nicht vergibt, dem ist auch nicht vergeben. Also eigene Lossprechung, die wir von Gott erworben haben, wird wieder hinfällig, wenn wir dem nicht verzeihen, der uns gegenüber schuldig geworden ist.
Jesus erzählt von dem Knecht, der seinem Herrn geschuldet hat und der den Herrn bat, ihm doch die Schuld nachzulassen, ihn nicht ins Gefängnis zu werfen. Und der Herr hat es vergeben. Und als der Knecht dann einen anderen Knecht sah, der ihm etwas schuldete, fuhr er ihn hart an und gab keinerlei Erbarmen. Er ließ ihn ins Gefängnis werfen. Die Folge war, dass die Schuld, die ihm schon erlassen worden ist, wieder eingeklagt worden ist. Das heißt, unsere eigenen Schuld, für die wir vielleicht Gott um Vergebung gebeten haben, kehrt wieder in unser Leben zurück, wenn wir dem anderen, der uns gegenüber schuldig geworden ist nicht vergeben. Trotz der Vergebung durch Gott, landen wir wieder im Gefängnis, im inneren Gefängnis, dass uns krank macht, weil wir selber nicht vergeben.
Wir können, liebe Schwestern und Brüder, wie gesagt, oft nicht aus eigener Kraft vergeben. Oft sind die Wunden noch zu groß. Die Verletzungen, die uns andere Menschen zugefügt haben. Beim Gedanken an den andern kommt nur Groll hoch, Bitterkeit. Dieser Anklagegeist, den ich erwähnt habe, bricht in uns durch und will den Bruder verklagen oder die Schwester, die uns so Leid zugefügt haben.
Wie kommen wir da raus?
Wie kann die Vergebung gelingen, wie kann uns die Versöhnung geschenkt werden, wenn wir doch selber nicht dazu in der Lage sind, wenn wir trotz all unserer Mühe, aus dem Sumpf des Grolls und der Verbitterung nicht herauskommen?
Es ist wichtig, dass wir uns dann nach der Gnade Gottes ausstrecken, dass wir unsere Ohnmacht annehmen, uns eingestehen, in dieser Ohnmacht zu Gott gehen. Ihm unsere Unfähigkeit zeigen, unser Unvermögen zu vergeben, ihm all unsere Gefühle, auch die der Anklage und des Grolls und des Hasses, entgegenhalten.
Uns ihm zeigen in diesem jämmerlichen Zustand, beten , dass er uns sein Heil schenkt, dass seine Liebe in unsere dunkle Wirklichkeit eintaucht, dass er uns reinwäscht, durch sein kostbares Blut und das uns frei macht, von diesen Bindungen der Unversöhntheit, von diesem Ungeist, der in uns tobt, diesem Geist der Rache, der Vergeltung, des Hasses, der Anklage und des Richtens, die uns beherrschen.
Es ist wichtig, liebe Brüder und Schwestern, dass wir dann, wenn diese Unversöhntheit in uns tobt, erkennen, dass es nicht nur das Problem des anderen Menschen ist, der uns weh getan hat, sondern dass die Verletzung durch den anderen mittlerweile unser eigenes Problem geworden ist. Mein Problem ist nicht in erster Linie der andere, der mir weh getan hat, das Problem bin ich mittlerweile mir selber geworden.
Der Ungeist, der in mir tobt ist mein Problem.
Mag es das Problem des andern sein, dass er die Schuld, die er mir zugefügt hat, wieder gut macht. Es ist und bleibt mein Problem, dass ich den Ungeist aus meinem Leben wieder heraus bekomme.
Ich brauche Liebe. Ich bin angewiesen auf die Liebe Gottes. Ich brauch den Balsam der Versöhnung.
Liebe Schwestern und Brüder,
strecken wir uns in solchen Situationen nach Gott aus, tauchen wir uns ein in sein Erbarmen. Bitten wir ihn, dass er in unser Leben kommt. Harren wir aus in der Gegenwart Gottes, bis die Finsternis gewichen ist.
Halten wir unsere verwundete Seele in die Sonne seiner Liebe. Bitten wir ihn um die Gnade des Verzeihens.
Ich habe erlebt, dass das möglich ist. Auch ich war schon tief verwundet von Menschen, auch in mir hat dieser Groll getobt, dieses Gefühl, ich will mit dem andern nichts mehr zu tun haben.
Auch ich hab erkennen müssen, dass Hass in mir ist und dass ich auf die Gnade Gottes angewiesen bin, dass diese Finsternis von mir weicht.
Ich hab erfahren dürfen, dass aus dem Groll Bitterkeit und aus der Bitterkeit Traurigkeit und aus der Traurigkeit Schmerz und Verzeihen geworden ist. Nicht aus eigener Kraft ist mir das zugekommen, allein aus Gnade.
Wir tun gut daran, uns nach dieser Gnade auszustrecken.
Ich habe von der Schuld der andern gesprochen, die uns verletzt haben, die uns weh getan haben. Aber es geht nicht nur um deren Schuld, es geht auch um unsere eigene Schuld. Wie viele Menschen werden von ihrer eigenen Schuld gepeinigt. Wie vielen Menschen verfolgt die eigene Schuld. Ist die Schuld im Genick und beherrscht uns wie die Angst, Schuld, die wir verdrängen und doch nicht los bekommen.
Wie viele Menschen werden von Gefühlen der Anklage beherrscht. Wie viele können sich aufgrund der Schuld, die sie auf sich geladen haben, nicht mehr annehmen. Wie viele Menschen haben sich verworfen, aufgegeben.
Liebe Schwestern und Brüder,
wir beten in der Karfreitags – Lithurgie, o glückliche Schuld, die du uns den Erlöser gebracht.
Jesus Christus hat sein Blut vergossen, damit wir reingewaschen werden, von aller Sünde, durch dieses Blut. Seine Liebe ist größer.
Wir dürfen Anteil haben an dieser Liebe und uns eintauchen, in seine Vergebung.
Wir dürfen unsere Schuld an seinem Kreuz abladen.
Wir dürfen alle Jämmerlichkeit also ihm übergeben, damit er uns heil macht.
O glückliche Schuld, die du uns den Erlöser gebracht. O glückliche Schuld, die du die Liebe Gottes so herausgefordert hast, dass er seinen einzigen Sohn dahin gab, damit wir errettet werden, damit wir nicht in dieser Schuld verharren.
Das, liebe Schwestern und Brüder, dürfen wir nie vergessen, dass unsere Schuld schon überwunden worden ist, dass sie ans Kreuz geheftet ist. Es kommt nur darauf an, dass wir selber diese Schuld loslassen. Dass wir sie Jesus Christus übergeben und uns reinwaschen lassen durch ihn. Wir können die Schuld festhalten oder abgeben. Wir können auch in eine Haltung der Selbstanklage verharren. Es kann sein, dass die Schuld sich nicht von uns löst, weil wir die Vergebung Gottes nicht annehmen, weil der Geist der Anklage, auch der Selbstanklage in uns größer ist, als der Geist der Versöhnung. Oft sind wir so in der Anklage verhaftet, dass wir die Gnade nicht annehmen können und wir merken dann nicht, dass wir das Erbarmen Gottes, das sich uns längst zugewendet hat, verweigern.
Es ist wichtig, dass wir dann umkehren, dass wir nicht in dieser Verweigerungshaltung bleiben, sondern uns vergeben lassen. Dass wir die Liebe Gottes an uns ran lassen. Es gibt nicht nur die Umkehr von der Schuld in die Vergebung, es gibt auch die Umkehr von der Selbstanklage, in das Erbarmen Gottes.
Auch das erfordert Umkehr, dass wir auch aufhören, uns anzuklagen und dass wir das Erbarmen Gottes in unserem Leben wirksam werden lassen, die Liebe ran lassen, nicht weg schicken, nicht abschütteln, uns von Jesus lieben lassen.
Den Geist der anklage wie dem Geist der Selbstanklage Einhalt gebieten und uns nach Jesus Christus austrecken.
Heilung durch Versöhnung, das ist ein Weg, liebe Schwestern und Brüder, oft ein ganz, ganz langer Weg. Wie lange brauchen wir selber, bis wir dem anderen vergeben haben, der uns Verwundungen zugefügt hat. Und es dauert manchmal auch endlos lange, bis der andere uns vergeben kann, dem wir Schmerz zugefügt haben.
Versöhnung erfordert immer Zwei. Nicht selten ist es unser Los, dass wir zwar versöhnungsbereit sind, doch der andere sich dem verweigert. Was nützt es, fragen wir uns, wenn ich dem anderen verzeihe aber der Vergebung nicht annimmt. Oder umgekehrt, warten wir nicht selten darauf, dass der andere uns um Vergebung bittet, damit wir verzeihen können.
Viele Menschen leiden darunter, dass ihnen die Versöhnung verweigert wird, dass der andere hart bleibt, unbarmherzig bleibt, verschlossen bleibt.
Was können wir tun?
Die Kirche kennt den Begriff, der vorauseilenden Vergebung.
Was ist damit gemeint, dass wir mit der Vergebung vorauseilen, auch wenn in Wirklichkeit, die Versöhnung gar noch nicht möglich ist, weil der andere verschlossen ist. Das wir selber die Türe unseres Herzens aufmachen. Das wir dem anderen bedingungslos vergeben. Es ist ganz ganz wichtig, dass wir solche inneren Türen aufmachen. Jesus hat uns in der Geschichte vom verlorenen Sohn darauf aufmerksam gemacht. Er hat sein Herz geöffnet, obwohl der Sohn sein ganzes Erbteil verschleudert hatte.
Ich bin ganz sicher, dass das Herz dieses Vaters, der letztlich den Vater im Himmel symbolisiert, geöffnet war. Es wird uns berichtet, dass er dem Sohn, der heruntergekommen war, entgegenging und ihn in seine Arme nahm. Es drückt die Sehnsucht unseres Vaters im Himmel aus, dass er uns in seine Arme nehmen möchte, dass er uns entgegeneilt und sagt: „ Komm, ich sehne mich nach dir.“
Die Liebe Gottes ist stärker als die Schuld und die Vergebung Gottes geht unserer eigenen Bitte um Vergebung schon voraus, bevor der schuldig gewordene verlorene Sohn den Vater um Vergebung bitten konnte, hat dieser ihn schon liebend in seine Arme geschlossen.
Das ist mit vorauseilender Vergebung gemeint. Dass wir auch dem vergeben, der noch nicht in der Lage ist, uns zu vergeben oder uns um Vergebung zu bitten. Dass wir bereit sind zur Versöhnung, auch dann, wenn der andere nicht bereit ist. Dass wir die Türen unseres Herzens aufmachen, damit die Versöhnung jederzeit geschehen kann.
Obwohl wir verzeihen, kann es bleiben, kann es bleiben, dass der andere unversöhnt ist.
Ich hab das in meinem Leben schon erlebt, dass ich bereit war zur Versöhnung und die Menschen aus welchen Gründen auch immer, verbittert blieben und sich sich abgewandt, mir den Rücken zugewandt haben.
Was können wir in solchen nicht einfachen Situationen tun?
Liebe deine Feinde, tu Gutes denen, die dich hassen, denen ,die dich verfolgen, dazu fordert uns Jesus auf. Bete für den, der dir weh tut. Bete für den, der dir die Versöhnung vorenthält, der dir nicht verzeiht oder der seine Schuld nicht einsieht.
Betet ohne Unterlass sagt Paulus, das heißt nicht, dass wir ununterbrochen mit Worten reden sollen, sondern dass unser Herz sich Gott hinhält, dass wir ihn bitten, für den anderen, der uns weh tut. Es geht dann nicht mehr um uns, sondern um unsere Verletzung, dass unsere Verletzung geheilt wird. Es geht um den andern, dass er von seinen Fesseln befreit wird. Das sollte das eigentliche Ziel unseres Gebetes sein. Nicht dass wir die Frucht der Versöhnung empfangen, sondern dass der andere, der mit uns im Zwiespalt lebt, von seinen Fesseln befreit wird und wieder in den Frieden Gottes hinein genommen wird. Das ist die rechte Art des Betens, auch die rechte Art der Versöhnung. Sie ist nicht darauf angewiesen dass uns Heil geschieht, das Heil für uns muss Gott wirken. Sie ist darauf angelegt, dass der andere, der sich uns abgewandt hat, wieder heil wird. Diese Versöhnung macht frei, während Unversöhntheit uns krank werden lässt.
Diese Versöhnung, diese vorauseilende Vergebung, macht uns wirklich frei, wenn wir um den andern kämpfen, statt ihn zu verurteilen. Wir sind dann auch nicht mehr so darauf angewiesen, dass wir nicht mehr enttäuscht werden, weil Gott uns dann die Waffe der Liebe, die Waffe der Vergebung und der Versöhnung in die Hand gegeben hat. Das macht frei. Lieben, auch wenn wir nicht geliebt werden, vergeben, auch wenn uns nicht vergeben wird. Uns neu einlassen, auch wenn wir wieder enttäuscht werden können, weil wir die Waffe der Vergebung, die Waffe der Versöhnung kennengelernt haben und wissen, dass wir mit der Gnade Gottes aus dieser Finsternis der Verstrickungen in Schuld und Unversöhntheit wieder gelöst werden können.
Lasst uns den Weg der Versöhnung beschreiten.
Br. Jan Hermanns