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Bringe Dein Leben in Ordnung

Du sollst Dein Leben neu beginnen, ohne zurückzuschauen. Und doch wird dieser Neubeginn nur möglich sein, wenn Du Dein Leben in Ordnung bringst und all das Alte ausräumst, was dem Neubeginn im Wege steht. Du sollst nicht auf das Alte schauen – Dich nicht immer wieder von ihm in den Bann ziehen lassen -, aber Du sollst Dich mit ihm auseinandersetzen, bis Du es bewältigt hast. 

Denn all das, was in Deinem Leben nicht in Ordnung ist, wird ein Störfaktor für den Neubeginn sein. Das, was Du jetzt zur Seite schiebst, weil es Dir unbequem ist, Dich damit auseinanderzusetzen wird Dich eines Tages wieder einholen und Dir möglicherweise sogar einen Strich durch die Rechnung Deines neuen Lebens machen. Deshalb: Bringe das Alte in Ordnung, so Du das neue beginnst.

Du sollst Dein altes Leben nicht verdrängen. Du sollst Dich von ihm loslösen, aber Du sollst Dich auch dazu bekennen – zu dem, was war. Erst wenn Du das vermagst – zurückzuschauen nicht im Zorn, nicht in der Aggression, nicht in der Verlegenheit, sondern in der Gelassenheit und der Gelöstheit dessen, der das Alte bewältigt hat – erst wenn Du das vermagst, wirst Du unbehindert in der Gegenwart leben können. (Konkret habe ich das an entlassenen Strafgefangenen erleben können. Jene, die sich zu ihrer Vergangenheit bekennen konnten, weil sie sie bewältigt hatten, meisterten die Gegenwart viel leichter als jene, die sie verdrängten und sich nicht dazu bekannten.)

Verdrängung löst keine Probleme. Das, womit wir nicht fertig geworden sind, wird unter den Teppich gekehrt. Doch es ist eine Frage der Zeit, bis es wieder hervorbricht. Es ist nicht weg. Es ist nur weggeschoben. Und es holt uns eines Tages ein.

Bekenne Dich zu Dir selber. Nehme Dich an so wie Du bist, und auch so wie Du warst. Nehme Dich auch in Deinem Versagen in der Vergangenheit an. Es ist keine Schande mehr, dass Du Sünder gewesen bist (Versager, Verbrecher …), wenn Du Gerechter geworden bist, einer, der das Leben meistert. Man wird Respekt vor jedem haben, der ein Saulus gewesen ist und zum Paulus geworden ist.  (Vergleiche die biblische Geschichte des Saulus, der sich bekehrt hatte und zum Paulus geworden ist, siehe dazu unter anderem Apostelgeschichte Kap. 9 und Galater Kap. 1,11ff.)

Du kannst Deine Vergangenheit ruhen lassen. Du brauchst nicht ständig von ihr sprechen. Es ist nicht nötig, dass Du all das Unschöne, das in Deinem Leben war, immer wieder aufgreifst und Dich damit beschäftigst. Es ist aber auch nicht erforderlich, dass Du es verleugnest und Dir selbst und anderen nicht mehr eingestehst.

Widersage der Versuchung der Verdrängung. Es ist die Versuchung zur Unwahrhaftigkeit, zur Lüge, ja zur Lüge Dir selbst gegenüber. Wenn Du verdrängst, legst Du in Deine Seele eine Zeitbombe, die irgendwann – vielleicht hast Du es selbst schon erlebt – explodieren wird.

Denn Verdrängtes wühlt in uns. Es macht uns unzufrieden. Es erfordert immer wieder Kraft von uns, es wegzuschieben –  Energie, die wir zum Aufbau unseres Lebens brauchen.

Es führt dazu, dass wir unwahrhaftig werden und die Rolle dessen spielen, der wir sein möchten, aber nicht sind. Diese Rolle spielen wir dann ständig weiter und gewöhnen uns daran, werden aber unfrei, so zu sein, wie wir sind. Das aber schafft Unbehagen in uns.

 

Das Verdrängte holt uns ein, ich sagte es schon. Irgendwann werden wir unangenehm daran erinnert – meist gerade dann, wenn wir diese Erinnerung am wenigsten gebrauchen können, wenn wir geschwächt sind und sie nicht so sehr verkraften können. 

Manchen hat die Sünde der Verdrängung in ein kaputtes Leben hineingeführt. Für viele Drogenabhängige und Alkoholiker, aber auch für psychisch Kranke ist sie die zentrale Ursache ihres Versagens. Sie haben das, was unbequem war, nicht ausgehalten und bewältigt, sondern sind davongelaufen und haben sich und ihr Leben betäubt.

Deshalb: Bringe in Ordnung, was nicht in Ordnung ist. Spreche mit einem Menschen darüber, wenn das notwendig ist, und wenn es Dich erleichtert. Und wenn Du es nicht mehr in Ordnung zu bringen vermagst, weil die Lebensumstände das nicht mehr zulassen, dann lerne es doch, Dich anzunehmen in diesem Versagen. Wobei es Dir eine Hilfe sein kann, wenn Du vergangene böse Taten durch gegenwärtige gute wieder wettzumachen versuchst.

Bringe Dein Leben in Ordnung. Gegenüber Dir selbst, gegenüber anderen Menschen und Gott gegenüber. Bringe alles wieder ins Reine. Dann wirst Du auch wieder im Reinen mit dir selber sein, wonach Du Dich sehnst.

Bekenne Dich zu Deinem Leben, auch zu all dem Unschönen, was war. Lasse es vor Dir vorüberziehen. Wenn Du dies ertragen kannst, ohne wegzuschieben, dann kannst Du dies als Zeichen dafür werten, dass Du es wirklich bewältigt hast. Schiebt sich dagegen der Riegel der Verdrängung vor, dann werte dies als ein Alarmzeichen – als Zeichen einer Krankheit in Deiner Seele; als Zeichen dafür, dass Unversöhntes in Dir wühlt.

Dieses Unversöhnte aber sollst Du angreifen. Finde Dich nicht mit ihm ab. Bewältige es.

 

Und wenn es zu viel sein sollte, wenn zu viel Unversöhntes in Deinem Leben sein sollte, dass Du Dich außerstande fühlst, Dich ihm zu stellen, dann lasse Dich nicht beirren.

Es stimmt: Du kannst dann nicht alles in Dir hochkommen lassen. Es könnte wie eine Woge der Gewalt auf Dich niederprasseln und Dich vernichten. Es könnte alte Gefühle der Depression und der Resignation in Dir wecken, Empfinden der Hoffnungslosigkeit und der Selbstverachtung, ja die Neigung, Dein als unwert empfundenes Leben wegzuwerfen.

Diesen Versuchungen musst Du begegnen. Tue dies, indem Du klug handelst. Klug aber handelst Du, wenn Du das Unversöhnte weder verdrängst noch in einem Gewaltakt in Dir hoch kommen lässt, so dass es Dich umreißen könnte, sondern es gewissermaßen ratenweise in Dir „aufsteigen“ lässt.

Es ist wichtig, dass Du die Zeit und Gelegenheit erspürst, wann es wichtig und richtig ist, Dich mit dem Vergangenen auseinanderzusetzen und es zu bewältigen zu versuchen. Wenn die Zeit oder Gelegenheit nicht gekommen ist, darfst Du ruhig sagen: Jetzt noch nicht. Das ist etwas anderes, als wenn Du es wegschiebst. Das ist Zurückstellen, zum richtigen Zeitpunkt zurückstellen, wenn die Zeit reif ist, oder wenn die Gelegenheit gegeben ist. Das ist nicht Verdrängung. Es ist Beginn der Bewältigung. Es ist Bewältigung.

Wenn aber vieles in Deinem Leben nicht in Ordnung ist, und es in Deinem Innern stürmen sollte, dann könnte es wichtig sein, dass Du erst einmal den Dampf, den ersten Dampf, ablässt. Am besten, indem Du das Gespräch mit einem Menschen suchst, dem Du vertraust, ihm vertraue Dich an – alles, was Dich beschäftigt, was Dich peinigt, was Dich bedrängt. Lasse es einfach los.

Schon dieses Loslassen hilft Dir weiter. Es befreit Deine Seele vom größten Stau. Es löst den Druck, der auf Deiner Seele lastet und es gibt Deiner Seele wieder die Möglichkeit, frei zu atmen und Luft zu holen für die kommenden Auseinandersetzungen.

Du bist erleichtert durch die Aussprache. Doch lasse Dich nicht dazu verleiten, zu meinen, nun sei alles in Ordnung. Schiebe nicht erneut weg, sondern schenke den Dingen, die noch nicht in Ordnung sind, weiterhin Deine Beachtung. Jene aber, die Du wirklich losgeworden bist, darfst Du auch getrost für immer loslassen.   

Wenn Du keinen vertrauten Menschen hast, mit dem Du über alles sprechen kannst, dann kannst Du auch zunächst einmal alles aufschreiben, was Dich bedrückt. Auch das Schreiben bietet uns die Chance, uns zu erleichtern, den größten Druck zunächst einmal loszulassen.

Es hat aber auch den Vorteil, dass wir eine gewisse Übersicht über unsere Probleme bekommen. Diese mögen wie ein Riesenberg vor uns stehen, und sie scheinen uns zu erdrücken. Lassen wir uns jedoch nicht einschüchtern: Der Berg wird kleiner, wenn wir zunächst die leichter lösbaren Probleme anpacken. Und er verliert seine Bedrohlichkeit, wenn wir nacheinander die Hauptprobleme angehen und sie meistern.

Wir haben viel Zeit gehabt, Dummheiten in unserem Leben zu tun. Nun müssen wir uns auch Zeit lassen, alles wieder in Ordnung zu bringen. Es braucht nun einmal Zeit, den Misthaufen, der sich angesammelt hat, wieder abzutragen.

Je größer dieser „Haufen“ ist, der in unserer Seele entstanden ist, desto länger brauchen wir, damit fertig zu werden. Und je schwieriger die Probleme sind, mit denen wir uns konfrontieren müssen, desto notwendiger wird für uns die Hilfe anderer Menschen sein. 

Der eine hat den Freund, mit dem er sich aussprechen kann, oder sonst eine Vertrauensperson. Für einen anderen wird es notwendig sein, die Hilfen, die die menschliche Gemeinschaft anbietet, in Anspruch zu nehmen, etwa eine Therapie, in der er über einen längeren Zeitraum im Gespräch mit einem Fachmann seine unbewältigten, vielleicht selbst nicht erkannten Konflikte aufarbeiten kann.

Jedem, der sich auf Jesus eingelassen hat, empfehle ich, sich einen geistlichen Begleiter oder Seelsorger zu suchen, mit dem wir unsere Probleme auch im Licht des Glaubens bearbeiten und meistern können. Die Hilfe eines Priesters wird vor allem dann nötig, wenn wir nicht nur der menschlichen oder geistlichen Aussprache, sondern auch der Lossprechung von unserer Schuld im Namen Jesu bedürfen. 

 

Wir müssen unsere ganze Kraft einsetzen, um frei zu werden und all das überwinden, was uns gefangen hält. Kein Weg führt daran vorbei, diese eigenen Möglichkeiten einzusetzen.

Doch wir müssen auch demütig genug sein, uns an andere Menschen zu wenden, insbesondere dann, wenn wir selber nicht mehr weiter wissen. Wir müssen demütig genug sein, uns an Gott zu wenden und Ihn zu bitten, uns beizustehen in unserer Not.

Denn wir sind Toren, wenn wir glauben, wir könnten es allein schaffen. Ebenso wie wir Toren wären, glaubten wir, es hinge alles von der Hilfe anderer ab. Wir bedürfen der Selbsthilfe, aber auch der Hilfe durch andere und der Erlösung durch Jesus Christus.

 

Br. Jan Hermanns

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